HB Magazin 1 2023

HB-INTERN

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Scheinbar gab es auch in den Auswahlgesprächen für die Studi enplätze vereinzelt Fragen nach einem potenziellen Kinderwunsch. „Dieses Maß an Sexismus im Studium bestürzt uns. Unabhängig davon, dass jede Form von Diskriminierung sowieso abzulehnen ist, kann bei einer Verweiblichung der Medizin, wie wir sie seit Jahren beobachten, ein solches Verhalten von Dozierenden gegenüber un seren Kommilitoninnen nicht angehen. Wir haben inzwischen in vie len Bereichen einen Ärztemangel. Da sollte der ärztliche Nachwuchs doch gefördert und nicht herabgesetzt werden. Wenn Frauen sich dann gegen männlich dominierte Fächer entscheiden, ist das doch kein Wunder. Und sicherlich wollen sich auch die wenigsten Män ner unserer Generation in einem solchen Arbeitsumfeld bewegen“, erklärt Peter Schreiber die Konsequenzen der Umfrageergebnisse. Mangelnden Respekt beklagten die Studierenden auch bei fal schen Antworten. Viele gaben an, von den Dozierenden für Fehler vor dem ganzen Kurs ausgelacht oder angeschnauzt worden zu sein. Zudem werden laut der Umfrageteilnehmenden vor allem die Studierenden der Modellstudiengänge von Dozierenden oft als weniger intelligent als die Studierenden der Regelstudiengänge be zeichnet. Anna Finger sagt dazu: „Es ist wirklich problematisch, dass viele Dozierenden die Modellstudiengänge herabwürdigen – gerade, weil die Modellstudiengänge als Vorlage für die neue Approbationsord nung gelten sollen und in einem intensiven Arbeitsprozess entstan den sind. Der andere Aufbau des Studiengangs hat nichts mit den kognitiven Fähigkeiten unserer Kommiliton:innen zu tun, sondern entspricht moderneren pädagogischen Konzepten. Dozierende, die das nicht verstehen, sollten sich dazu entsprechend fortbilden.“

Umfrage zu digitaler Lehre und respektvollem Umgang mit Studierenden: Errungenschaften der Pandemie-Semester in Gefahr, beim Respekt gibt’s Luft nach oben Der Ausschuss der Medizinstudierenden des Hartmannbundes hat das Jahr mit einer Umfrage unter den studentischen Mitglie dern des Verbandes eingeleitet, die sich einerseits mit der Entwicklung der digitalen Lehre an den Fakultäten beschäftigt und an dererseits auch den zwischenmenschlichen Umgang der Dozierenden mit den angehenden Ärzt:innen untersucht hat. Während die Studierenden im Bereich der digitalen Lehre um Errungenschaft der Pandemie-Semester fürchten, gibt es beim Thema Respekt deutlichen Spielraum nach oben. An der Umfrage haben sich 1220 Studierende beteiligt, davon waren 70 Prozent weiblich.

Foto: Magura/shutterstock.com

Besondere Leistungen im Studium Stipendienausschreibung 2023 Die Friedrich-Thieding-Stiftung vergibt für das Jahr 2024 wieder das Hartmannbundstipendium für sehr gute Leistungen im Medizinstudium und einem herausragen den sozial- oder berufspolitischen Engagement. Die Details zur Bewerbung finden Sie hier:

Peter Schreiber, ergänzt: „Natürlich möchten wir Studierenden kein digitales >Fernstudium<, aber an den Stellen, an denen Digitalisie rung den Studierenden eine höhere Flexibilität ermöglichen kann- nämlich immer dann, wenn der Unterricht nicht an den Patienten stattfindet – sollte diese Flexibilität auch ermöglicht werden. Auf diese Weise kann das Studium viel besser mit einem Nebenjob, der Pflege von Angehörigen oder der Betreuung von Kindern vereinbart werden und das sollte das Ziel sein.“ Zwischenmenschlicher Umgang in der Lehre: Insgesamt 34 Pro zent der Befragten gehen davon aus, dass Rassismus, Sexismus und Diskriminierung an ihrer Uni ein Problem sind. Etwa 45 Prozent der Umfrageteilnehmenden geben an, dass sie in ihrem Studium schon herablassend von Dozierenden behandelt wurden. Dabei beziehen sich die Herablassungen zu ca. 12 Prozent auf das Geschlecht. Bei spielhaft genannt wurden von den Studierenden Sprüche wie z.B.: • „Malen Sie 4 Kreise an die Tafel. So und das ist der Herd und da gehören Sie hin.“ • „Alle Frauen werden Internistinnen oder Gynäkologinnen.“ • „Ich operiere nicht mit Frauen am Tisch. Da sind die Brüste im Weg.“

Entwicklung der digitalen Lehre: Aus der Umfrage geht hervor, dass ca. 71 Prozent der Fakultäten hybride Lehrformate anbieten,

www.hartmannbund.de/ Der Verband/Stiftungen/ Friedrich-Thieding-Stiftung/ Stipendium. Oder scannen Sie den QR-Code

wobei die Ausbreitung der Angebote auch in nerhalb der Fakultäten nicht einheitlich ist. In nur zwei Prozent der Fälle werden alle Ver anstaltungen hybrid an geboten. Sieben Prozent der Befragten gaben an, in ihrem Studium sei nur eine einzelne Veranstaltung hybrid möglich. Auch qualitativ gibt es große Unterschiede. Häufig wird beispielsweise keine tatsächliche Onlineteilnahme angeboten, sondern Stu h u t t e r s t o c k . c o m

Bewerben können Sie sich bis zum 23. Juni 2023. Die Vergabe erfolgt im November im Rahmen der Hauptver sammlung des Hartmannbundes.

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dierenden, die nicht vor Ort einer Vorlesung beiwohnen können, werden Vorlesungsfolien aus vorangegangenen Semestern digital zur Verfügung gestellt, denen es an Aktualität mangelt. In ande ren Fällen ist eine Onlineteilnahme zwar technisch möglich, aber bestehende Anwesenheitspflichten machen das Konzept obsolet. Es gibt jedoch auch positive Beispiele für digitale Lehrformate, bei denen am Ende ein Quiz eine Selbstkontrolle des eigenen Lernfort schrittes ermöglicht. Die während der „Corona-Semester“ eingeführten digitalen Lehrformate wurden an 13 Prozent der medizinischen Fakultäten nicht, bei ca. 58 Prozent nur teilweise beibehalten. Gleiches gilt für die Fehlzeitenregelungen: Nur 45 Prozent der Befragten konnten ihrer Universität eine vernünftige Fehlzeitenregelung bescheinigen und selbst dort, wo es gute Konzepte für den Umgang mit Fehlzei ten gibt, sind diese zu einem Drittel abhängig vom Fach. Für unsere Studierenden geht aus dieser Bilanz deutlich hervor, dass es im Bereich digitaler Lehre nach wie vor ein Umdenken auf Seiten der Lehrenden braucht: „Wir sind in der Digitalisierung weit hinter vielen anderen europäischen Ländern zurück – auch in der universitären Lehre. Einer der wenigen positiven Aspekte der Covid Pandemie war der digitale Fortschritt, den wir in diesem Bereich gemacht haben. Es ist schade, dass der in vielen Fällen nicht beibe halten wurde,“ erklärt Anna Finger. Ihr Ausschussvorstandskollege,

Wurden die eingeführten digitalen Lehrformate, z.B. Podcasts, Aufzeichnungen von Vorlesungen o. Ä. beibehalten?

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