HB Magazin 1 2024

POLITIK

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Starker Kostendruck sorgt für eine Konzentration auf wenige Herstellungsstätten überwiegend in Drittstaaten (insbesondere in China und Indien).

sollen Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen und des Zu lassungsverfahrens von Arzneimitteln und Medizinprodukten „bei gleichzeitiger Wahrung der hohen Standards für die Sicherheit von Patientinnen und Patienten“ vereinfacht, entbürokratisiert und be schleunigt werden. Insbesondere werde regulatorisch der Weg für die Durchführung dezentraler klinischer Prüfungen geebnet. Phar mazeutische Unternehmer sollen zudem die Möglichkeit erhalten, vertrauliche Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln mit neuen Wirk stoffen zu vereinbaren. Im Bereich des Strahlenschutzes soll eine deutliche Verbesserung der regulatorischen Rahmenbedingungen erreicht werden. Laut Entwurf ist eine Spezialisierung der registrierten Ethik Kommissionen der Länder vorgesehen und für komplexe Prüfungen soll eine Bundes-Ethik-Kommission beim Bundesinstitut für Arznei mittel und Medizinprodukte (BfArM) errichtet werden. Das BfArM soll künftig die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für Zulassungsverfahren und Anträge zu klinischen Prüfungen für alle Arzneimittel, ausgenommen Impfstoffe und Blutprodukte, über nehmen. Für die Bewertung von Leistungsstudien mit therapiebe gleitenden Diagnostika, soll zukünftig jeweils die Ethik-Kommission zuständig sein, die auch für das dazugehörige Arzneimittel zustän dig ist; die neu einzurichtende Bundes-Ethik-Kommission soll auch im Bereich der Medizinprodukte bestimmte Zuständigkeiten erhal ten. „Der Pharma- und Forschungsstandort Deutschland muss wie der konkurrenzfähig werden. Bei der Medizinproduktion und -for schung sind wir in einer Aufholjagd – die bereits erste Früchte trägt“, bekräftigte der Minister. Es gebe wieder mehr Ansiedlungen der pharmazeutischen Industrie in Deutschland. Darüber hinaus wür de der Standort Deutschland im Bereich Forschung wieder stärker. Nichtsdestotrotz müssten die Hausaufgaben gemacht werden. Warnung vor unnötigen Parallelstrukturen Zwei Punkte stehen in der gesundheitspolitischen Diskussion be sonders in der Kritik, so dass man abwarten muss, ob sie tatsächlich Eingang in das Gesetzbuch finden werden. Selbst aus der Pharma Industrie vernimmt man Kritik an einer Bundes-Ethik-Kommission. Sie würde zum Aufbau unnötiger Parallelstrukturen führen. Viele Beteiligte plädieren dafür, eher vorhandene Strukturen zu reformie ren um damit Prozesse zu beschleunigen. Landesärztekammern be mängeln darüber hinaus die vorprogrammierte fehlende Unabhän gigkeit, sollte die Bundes-Ethik-Kommission tatsächlich bei einer nachgeordneten Behörde des Bundesgesundheitsministers, dem BfArM, angesiedelt werden. Der zweite Punkt betrifft die geplante Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge bei innovativen Arzneimit teln. U. a. Krankenhäuser kritisieren, dass diese zu ausgesprochen komplexen Abrechnungsverfahren führen würden. „Ärztinnen und Ärzte müssen eine wirtschaftliche Therapie für ihre Patienten wäh len. Wie können sie das tun, wenn der Preis von Arzneimitteln nicht offengelegt wird?“, bringt der BKK Dachverband einen wesentli chen Kritikpunkt vor.

Pharmastrategie der Bundesregierung „Aufholjagd“ via Medizinforschungsgesetz Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach MdB (SPD) will den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland „deutlich verstärken“. Dazu hat das Bundeskabinett am 13. Dezember 2023 ein Strategiepapier „Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland – Handlungskonzepte für den Forschungs- und Produktions standort“ beschlossen. Im Rahmen der Pharmastrategie soll ein Medizinforschungsgesetz eine zentrale Rolle spielen, dessen Referentenentwurf im Februar 2024 veröffentlicht wurde. Die Zulassung von Studien im Pharmabereich soll vereinfacht und beschleunigt, die Bürokratie abgebaut werden.

5. Regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, um EU-Wett bewerbsfähigkeit sicherzustellen: Im Gegensatz zu Diskus sionen auf EU-Ebene spricht sich die Bundesregierung in ihrer Pharmastrategie für eine „umfassende Aufrechterhaltung des Systems geistiger Eigentumsrechte“ aus. 6. Förderung von Innovations- und Forschungsprojekten: „Es bedarf Anreize, um mehr Kapital zu mobilisieren und zu kana lisieren“, heißt es. „Die steuerliche Forschungsförderung soll ausgebaut sowie die gezielte Förderung von Forschung und Ent wicklung, Innovationen, Transfer und Gründungen soll weiterent wickelt werden.“ 7. GKV-Finanzstabilität; hier: Arzneimittelversorgung: Ziel sei es „verlässliche, nachvollziehbare und einfach umsetzbare Rahmenbedingungen bei der Preisbildung und Erstattung“ von neuen Medikamenten zu gewährleisten. „Gleichzeitig gilt es die Finanzstabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung im Blick zu behalten.“ 8. Ausblick: Weitere Entbürokratisierung, Best-Practice-Dialog: „Bürokratievorgaben und Verwaltungsprozesse sollen entlastet werden“. Mit den beiden beschlossenen Gesetzen im Bereich der Digitali sierung, dem Digitalgesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennut zungsgesetz (GDNG) sowie dem Medizinforschungsgesetz gäbe es dem Bundesminister zufolge „drei ineinander verschränkte Geset ze“, die den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland deut lich verstärken würden. Digitalgesetz (elektronische Patientenakte (ePA) mit Opt-out-Option ab 2025) und GDNG greifen Lauterbach zufolge „wie ein Zahnrad“ ineinander; denn mit der digitalen Nut zung der pseudonymisierten Gesundheitsdaten (u.a. Daten aus der ePA, Daten aus den Abrechnungen der Krankenkassen, Registerda ten, Krebsregisterdaten, Genomdaten) würden diese so aufbereitet, dass sie für die Forschung verwendet werden könnten. Errichtung einer Bundes-Ethik-Kommission Durch das Medizinforschungsgesetz sollen die Rahmenbedin gungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arznei mitteln und Medizinprodukten verbessert werden. Mit dem Gesetz

Nach dem Strategiepapier der Bundesregierung hätten die ver gangenen Jahre gezeigt, dass der Forschungs- und Entwicklungs standort Deutschland im internationalen Bereich an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit verloren habe. Ein zentrales Problem bestände gegenwärtig in den sehr langsamen Prozessen bei den klinischen Studien, „die sehr teuer sind“, erklärte Lauterbach im Dezember 2023 bei der Vorstellung der Eckpunkte des Medizinfor schungsgesetzes. Deutschland weise viel weniger klinische Studien pro Kopf als zum Beispiel Dänemark oder Großbritannien aus. „Wir haben eine sehr gute Grundlagenforschung, aber wenig Patente, die daraus folgen und noch weniger Produktion, die daraus folgt“, so Lauterbach. Zudem habe die COVID-19-Pandemie die Vulnerabilitäten der Lieferketten verdeutlicht, heißt es in dem Strategiepapier. Die Globalisierung und starker Kostendruck insbesondere bei der Generika-Industrie hätten bei einer Vielzahl von Wirkstoffen und Arzneimitteln bereits zu einer Abwanderung der Ausgangsstoff-, Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion und zu einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten überwiegend in Drittstaaten (ins besondere in China und Indien) geführt. Während im Jahr 2000 ca. 30 % der Wirkstoffproduktion zugelassener Arzneimittel in Asi en erfolgten, waren es im Jahr 2020 über 60 %. Diese Entwicklung berge das Risiko von strategischen Abhängigkeiten und steigere die Gefahr von Lieferkettenunterbrechungen und somit das Risiko von Liefer- und Versorgungsengpässen. Maßnahmenkatalog mit acht Punkten Um die Attraktivität des Pharmastandorts Deutschland wieder zu erhöhen und auszubauen sowie eine zuverlässige Versorgung

sicherzustellen, will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie insbesondere in Deutschland und auch in der Europäischen Union (EU) verbessern. In dem Strategiepapier werden in acht Hauptpunkten Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland auf geführt: 1. Klinische Prüfungen von Humanarzneimitteln vereinfa chen und beschleunigen: Geplant sind Maßnahmen, um die Genehmigung und Durchführung von klinischen Prüfungen in Deutschland ohne Einbußen für die Sicherheit der Prüfungsteil nehmerinnen und -teilnehmer zu optimieren und zu beschleuni gen – Bearbeitungszeiten sollen zum Beispiel verkürzt werden. 2. Zulassungsbehörden stärken, Synergien bei Überwachungs behörden schaffen: Auch hier geht es um eine Beschleunigung von Prozessen. „Hierfür bedarf es eines zentralen Projektma nagements mit gut abgestimmten und ausgestatteten Behör den“, heißt es. 3. Stärkere Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung vo rantreiben: Die Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung soll vorangetrieben und Gesundheitsdaten sollen auch der phar mazeutischen Industrie zugänglich gemacht werden. Die Daten schutzaufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitsbereich soll harmonisiert und vereinfacht werden. 4. Anreize zur Ansiedlung von Herstellungsstätten in der EU so wie Diversifizierung der Lieferketten: Die strategische Abhän gigkeit von Drittstaaten wie China und Indien – insbesondere mit Blick auf die Herstellung von patentfreien Arzneimitteln – soll re duziert werden, indem zum Beispiel der Aufbau von Produktion in Deutschland attraktiver gemacht wird.

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