HB Magazin 3 2024

POLITIK

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Gesundheitsministerin von der Decken bezieht Stellung Plädoyer für eine inhaltlich korrekte und verfassungskonform ausgestaltete Krankenhausreform

Informationen zu einem Vermittlungsverfahren zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch alle oder eine große Anzahl der Länder könnte im Falle des KHVVG Erfolg zeigen, auch wenn das Gesetz als „Einspruchsgesetz“ nicht zustimmungspflichtig ist. Nachfolgend werden deshalb einige für dieses Gesetzge bungsverfahren möglicherweise relevante Informationen zum Vermittlungsverfahren eines Einspruchsgesetzes ausgeführt: Der Ver mittlungsausschuss (Ausschuss nach Art. 77 Abs. 2 Grundgesetz) ist ein gemeinsames Gremium des Deutschen Bundestages und des Bundesrates. Der Ausschuss besteht aus jeweils 16 Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. Die vom Bundestag entsandten Mitglieder werden vom Parlament nach Fraktionsproporz (Stärke der Fraktionen für die Dauer einer Legislaturperiode) gewählt. Der Vermittlungsausschuss fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit – es muss also mehrheitlich mehr Ja- als Nein-Stimmen geben, Enthaltungen bleiben unberücksichtigt. Bei gleicher Anzahl von „Ja“- und „Nein“-Stimmen ist ein zur Abstimmung gestellter Antrag im Vermittlungsausschuss abgelehnt. Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat kann eine Änderung oder Ergänzung des Gesetzes verlangt werden. Seine Anrufung kann auf einzelne Vorschriften des Gesetzes begrenzt werden. Die übrigen Regelungen des Gesetzes muss der Ausschuss dann als endgültig hinnehmen. Zulässig ist aber auch ein Antrag auf grundlegende Überarbeitung des Gesetzes oder sogar auf dessen Aufhebung. Empfiehlt der Vermittlungsausschuss, das vom Bundestag beschlossene Gesetz zu ändern, so muss dieser Vermittlungsvorschlag zunächst im Bundestag mehrheitlich angenommen werden. Danach wird der geänderte Gesetzesbeschluss dem Bundesrat zur Bera tung zugeleitet. Lehnt der Bundestag diesen Vorschlag hingegen ab, hat sich der Bundesrat mit dem ursprünglichen unveränderten Gesetzesbeschluss des Bundestages erneut zu befassen. Empfiehlt der Vermittlungsausschuss, das Gesetz zu bestätigen oder ist das Verfahren ohne Einigung abgeschlossen worden, muss sich zunächst nur noch der Bundesrat mit dem Gesetz befassen, da der ur sprüngliche Gesetzesbeschluss des Bundestags nicht geändert wurde. Legt der Bundesrat Einspruch gegen das Gesetz ein, muss dieses vom Bundestag mit der erforderlichen Mehrheit quasi spiegelbild lich zurückgewiesen werden. Eine einfache Mehrheit im Bundesrat erfordert nur eine mehrheitliche Zurückweisung des Einspruchs durch die Mitglieder des Bundestag. Eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen (ohne Stimmenthaltungen) im Bundestag ist aber erforderlich, um einen Einspruch des Bundesrats zurückzuweisen, die dieser gegen den Gesetzesbeschluss des Bundestages mit zwei Dritteln seiner Mitglieder eingelegt hat. Sollten die Länder also weiterhin Geschlossenheit zeigen, dürfte die Bundesregierung großes Interesse an einer gütlichen Einigung haben, um das Gesetzgebungsvorhaben nicht in Gänze scheitern zu lassen.

Über alle Parteigrenzen hinweg sind sich die 16 Bundesländer in der Forderung nach Änderung wesentli cher Regelungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG) (Bun destagsdrucksache 20/11845) einig. Am 27. Juni wurde der Gesetzentwurf in erster Lesung im Deutschen Bundestag behandelt, nur eine Woche später, am 5. Juli im Bundesrat im sogenannten ersten Durchgang. Entgegen der ursprüngli chen Zusage des Bundesgesundheitsministers ist der Gesetzentwurf als „nicht zustimmungspflichtig“ deklariert worden, wie die Ministerin für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein, Prof. Dr. Kerstin von der Decken, in einem diesbezüglichen Statement für das Hartmannbund-Magazin erläu tert. Die damit verbundenen Implikationen einer möglichen Klage von Ländern oder auch der Anrufung des Vermittlungsausschusses erörtert die Ministerin, die zugleich bis Ende dieses Jahres Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) ist, in ihrer Stellungnahme: a nk P e t e r : F r

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Prof. Dr. Kerstin von der Decken: „Deutschland braucht eine Kranken hausreform. Das bedeutet: Wir brau chen eine Reform der Krankenhaus finanzierung (Bundeszuständigkeit) auf der einen Seite und eine Reform der Krankenhausstrukturen (Länder

Im Zusammenhang mit der Krankenhausreform stoßen je doch sowohl das Verfahren als auch der aktuelle Gesetzesent wurf des Bundes auf massiven Widerstand der Länder, auch weil der Bund die kompetenzielle Ordnung zwischen Bund und Län dern missachtet. So hat das Bundesgesundheitsministerium keinen gemein sam erarbeiteten Gesetzesentwurf in das parlamentarische Ver fahren eingebracht, obwohl genau dies vereinbart und in der Sache auch rechtlich geboten war. Denn es sind die Länder, die laut Grundgesetz für die Krankenhausplanung und die Investiti onskosten zuständig sind. Das hat gute Gründe: Die Strukturen in den Ländern sind unterschiedlich. Deshalb hätte der Bund auf der Basis gemeinsam erarbeiteter Eckpunkte einen zustim

Prof. Dr. Kerstin von der Decken, Ministerin für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein

zuständigkeit) auf der anderen Seite. Nur mit einer solchen Doppel-Reform wird es möglich sein, die Krankenhausland schaft angesichts der vielen strukturellen Herausforderungen im Gesundheitswesen nachhaltig weiterzuentwickeln und die Krankenhausversorgung auf sichere Beine zu stellen. Darüber besteht zwischen allen Beteiligten Einigkeit.

mungsbedürftigen Gesetzesentwurf vorlegen müssen. Stattdes sen liegt nun ein als Einspruchsgesetz deklarierter Gesetzesent wurf vor. Dieser ist inhaltlich unzureichend, handwerklich schlecht gemacht, überstürzt und in dieser Form auch verfassungswid rig. Insbesondere möchte der Bund derart weitgehende Struk turvorgaben machen, dass das verfassungsrechtliche Primat der Krankenhausplanung der Länder massiv eingeschränkt werden würde. Zudem würde das Gesetz in dieser Form zur Zerschlagung bestehender, passgenauer Strukturen vor allem in ländlichen Räu men und damit zu Versorgungslücken führen. Die Länder müssen Kraft Verfassungsrecht eigenständige und erhebliche Gestaltungs spielräume sowohl legislativer als auch administrativer Art für die Krankenhausplanung behalten, damit bedarfsnotwendige Kliniken etwa durch dauerhafte Kooperationsmöglichkeiten und Netzwerke erhalten bleiben können. Diese und weitere inhaltlich begründete Forderungen haben die Länder gegenüber dem Bund immer wieder vorgetragen. Auch auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Reform haben die Länder frühzeitig hingewiesen. So hat Schleswig-Holstein gemein sam mit Bayern und Nordrhein-Westfalen bereits im April 2023 ein Rechtsgutachten vorgelegt, in dem die Vorschläge der Regierungs kommission für eine Reform der Krankenhausvergütung der Bun desregierung auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft worden sind. Bereits damals kam das Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Vor schläge des Bundes massiv in die Planungshoheit der Länder ein greifen und das Reformkonzept deshalb zu korrigieren sei. Ein in Auftrag gegebenes Ergänzungsgutachten zum Referentenentwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes kam eben

falls zu dem Ergebnis, dass dieser erheblich in die Krankenhaus planungshoheit der Länder eingreift und die Verabschiedung des Gesetzes ohne Zustimmung des Bundesrates das Risiko einer for mellen Verfassungswidrigkeit birgt. Trotzdem hat der Bund die Änderungsforderungen der Länder unberücksichtigt gelassen und einen als nicht zustimmungsbedürf tig deklarierten Gesetzesentwurf vorgelegt. Der Referentenentwurf wurde ohne Berücksichtigung der Länderforderungen im Bundes kabinett angenommen und ist in dieser Form in das parlamentari sche Verfahren eingebracht worden. Die Länder setzen sich nun weiterhin dafür ein, dass eine inhalt lich korrekte und verfassungskonform ausgestaltete Reform auf den Weg gebracht wird. Deshalb haben die Länder im Bundesrat eine zwischen ihnen allen geeinte umfangreiche Stellungnahme in das Verfahren eingebracht, welche die Kernforderungen der Länder zusammenfasst und inhaltlich vertieft. Die Länder machen sich der zeit gegenüber den Bundestagsfraktionen dafür stark, dass diese ihre Forderungen aufgreifen und den Gesetzesentwurf über Ände rungsanträge grundlegend ändern. „ Der Gesetzesbeschluss des Bundestages nach der dritten Le sung wird zeigen, ob die Forderungen der Länder adäquat aufge griffen worden sind. Nach der Prüfung des Beschlusses werden wir eine Entscheidung darüber treffen, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird. Wir arbeiten somit zunächst weiter daran, dass sich Bund und Länder auf einen Gesetzesentwurf einigen, mit dem beide ein verstanden sind. Das Ergebnis des parlamentarischen Verfah rens in Bundestag und Bundesrat gilt es also abzuwarten, bevor über die Frage einer möglichen Klage entschieden werden kann.“

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