HB Magazin 3 2025

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Interview mit Dr. Olaf Gaus, Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck, zur Datenmedizin Mit Datenmedizin die medizinisc he Versorgung für Ärzt:innen und Patient:innen entlasten – das ist eines unserer zentralen Ziele!

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Immer weniger Ärzt:innen entscheiden sich in ländlichen Regionen für die Niederlas sung in einer Hausarztpraxis. Um dort auch in Zukunft die Gesundheitsversorgung zu si chern, wird in der Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck an Lösungen gearbei tet. Durch den Einsatz digitaler Technologien soll eine Datenmedizin aufgebaut werden. Daten stehen hier im Zentrum und werden als Chance für eine bessere Prävention, Diagnos tik und Therapie gesehen. Wir haben mit dem geschäftsführenden Leiter der Digitalen Modell region Gesundheit Dreiländereck, Dr. Olaf Gaus, darüber gesprochen, welche Erkenntnisse aus den bisherigen Projekten gewonnen werden konnten, welchen Nutzen eine Datenmedizin für Patient:innen

stellt wurden, weil es gesundheitliche Ereignisse wie zum Beispiel einen überschießenden Blutdruck gab, der unmittelbar behandelt werden musste. Wir konnten also zeigen, dass neue Technologien fürs Gesundheitstracking als präventive Maßnahme erfolgreich ein gesetzt werden können.

Therapie angepasst werden müsste, um beispielsweise das Auftreten von Folgekrankheiten zu vermeiden beziehungsweise zu verzögern. Die Datenmedizin ermöglicht also ein gezielteres Arzt-Patienten Gespräch, was eine Voraussetzung für eine geeignete Therapie ist.

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Ja. Allerdings ist Datenmedizin immer auch behaftet mit einem Akzeptanzproblem. Es kommen Fragen auf, wie: Was hat Gesund heit mit Daten zu tun? Ist das nicht eine Technisierung von Gesund heit? Die Versorgungsseite, wie Menschen miteinander umgehen und sprechen, wird oft als wich tiger betrachtet. Aber gerade hier braucht es eine Datenmedizin als Grundlage. Jeder kann zwar sa

Ist solch ein Monitoring-Verfahren in Zukunft also ein Weg, um die Gesundheitsversorgung auch bei Ärztemangel in ländlichen Regionen sicherzustellen und zu verbessern? Daten sind wichtig für die Gesun derhaltung von Patientinnen und Patienten. Das steht außer Frage. Die Verlaufsdarstellung der Vital daten dient der Überwachung

Wenn unser Gesundheitswesen weiterhin nichts unternimmt, wir also nur immer weiter Geld in bestehende Strukturen investieren, die nicht wirklich nutzen, werden wir sehr bald an unsere Grenzen stoßen.

und Ärzt:innen hat und was es bräuchte, um das Gesundheitssystem zukunftssicher aufzustellen.

HB Magazin: In der Digitalen Modellregion Gesundheit Dreilände reck wird der Aufbau einer Datenmedizin als Ziel genannt. Warum braucht es das? Dr. Olaf Gaus: Es gibt einen klaren Trend: Das Budget ist leer, die Krankenkassen denken über Beitragserhöhungen nach, das Bun desgesundheitsministerium kann nicht noch mehr Mittel zur Verfü gung stellen. Wir stellen fest, dass wir uns unser Gesundheitssystem, so wie es heute ist, nicht mehr leisten können. Es läuft also alles da rauf hinaus, dass wir uns mehr um uns selbst kümmern müssen als das in den vergangenen 20, 30 Jahren der Fall war. In der Diskussion geht es dann um die sogenannte Self Care. Aber was versteht man darunter und was muss sie leisten? Es ist sicher nicht damit getan, dass wir die Frequenz unserer Arztbesuche erhöhen. Vor allem nicht, wenn sich in der Folge keine neuen Erkenntnisse aus Gesundheits daten in einer verbesserten Volksgesundheit niederschlagen. Hier muss Datenmedizin ansetzen, wenn wir daran etwas ändern wollen. Was soll denn durch Datenmedizin anders werden? Wir haben 2021 angefangen, uns mit unserem ersten Projekt im länd lichen Raum aktiv mit dieser Thematik auseinanderzusetzen – Data Health Burbach. Die Ausgangssituation sah folgendermaßen aus: In der Gemeinde Burbach gibt es eine Region namens Hickengrund. Zum damaligen Zeitpunkt waren dort zwei Hausarztpraxen für 6000 Menschen zuständig. Es gab also eine gewisse Offenheit gegenüber der Frage, wie die Praxen entlastet werden könnten. Das sollte über ein datenmedizinisches Self Care-Verfahren erreicht werden. Was heißt das? Wir haben eine individuelle Gesundheitsversorgung entlang von Krankheitsbildern im Blick. Eine Datenvermessung durch den Pati enten selbst macht das möglich. Konkret hieß das im Projekt: Pa tientinnen und Patienten haben von uns konventionelle Aufzeich nungs-Devices erhalten und in ihrer Häuslichkeit – also zuhause oder im Pflegeheim – nach Vorgaben ihres Arztes selbstständig ihre Vitaldaten wie Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz oder Blutdruck gemessen und diese über eine von uns entwickelte App von einem Smartphone in eine medizinisch zertifizierte Cloud übertragen. Die teilnehmenden Hausarztpraxen konnten über ein dafür konzipiertes Webinterface die Daten dann abrufen.

Konnte das alles gut in den Praxisalltag integriert werden? Häufige Krankheitsbilder wie Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie, Bluthochdruck, auch akute chronische Lun generkrankungen konnten gut überwacht werden. Genauso ließ sich die postoperative Überwachung, die in der ambulanten Praxis nach der Entlassung aus einem Krankenhaus übernommen wird, hervorragend über das Monitoring durchführen. Die Bandbreite der berücksichtigten Krankheiten hing dabei von den verwendeten Geräten ab und welche Vitaldaten zum damaligen Zeitpunkt damit nicht-invasiv gemessen werden konnten. Was in diesem Bereich der nicht-invasiven Datenmessung möglich ist, wird sich mit der Zeit noch erweitern. Aber bestimmte Krankheiten wie Diabetes konnten wir nicht ins Projekt aufnehmen. Auch, wenn daran geforscht wird: Eine Uhr, die den Blutzucker messen kann, gibt es immer noch nicht. Tatsächlich kam es im Laufe der Projektdurchführung vor, dass ein zelne Patient:innen aufgrund des Monitorings in die Praxis einbe

des Gesundheitszustands von Patientinnen und Patienten sowie als Grundlage für die Anpassung von Therapien. Letzteres findet bisher allerdings nur dann statt, wenn mal wieder ein Arztbesuch ansteht und entsprechende Untersuchungen tatsächlich durchgeführt wur den. Über das digitale Monitoring läuft das alles zielgenauer. Das Gute daran ist: Je länger Patientinnen und Patienten dieses Monito ring betreiben, desto aussagekräftigere Datenreihen ergeben sich, über die Gesundheits- und Krankheitsverläufe festgestellt werden können. Darüber werden Erkenntnisse über Präventionsmöglich keiten erlangt, wann eine Behandlung einsetzen sollte oder wie eine

gen, wie es einem gesundheitlich geht. Um daraus aber medizinisch verifizierbare Schlüsse zu ziehen und die optimale Therapie zu fin den, braucht es eine Präzisierung und Validierung von Annahmen. Das kann über Daten passieren. Und dafür ist es wichtig, dass wir nicht nur dieses Monitoring möglich machen, sondern gleichzeitig darüber nachdenken, wie wir unser Gesundheitssystem nicht noch mehr belasten. Wenn unser Gesundheitswesen weiterhin nichts un ternimmt, wir also nur immer weiter Geld in bestehende Strukturen investieren, die nicht wirklich nutzen, werden wir sehr bald an unsere Grenzen stoßen.

Tatsächlich kam es im Laufe der Projektdurchführung vor, dass einzelne Patient:innen aufgrund des Monitorings in die Praxis einbestellt wurden, weil es gesundheitliche Ereignisse wie zum Beispiel einen überschießenden Blutdruck gab, der unmittelbar behandelt werden musste.

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