HB Magazin 4 2022

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So werden Krankenhäuser klimaneutral Die Arbeitsgruppe „Klimawandel“ der Bundesärztekammer hat insgesamt zehn Handlungsfelder zusammengestellt, in denen verschiedene Beispiele von Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit präsentiert werden. Im August wurde „Handlungsfelder im Kran kenhaus zur Klimaneutralität“ vom Vorstand der Bundesärztekammer beschlossen. Hier sind einige Auszüge:

„Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Das ist selbstmörderisch. Die Natur schlägt immer zurück – und sie tut es mit wachsender Kraft und Wut. Die Artenvielfalt kollabiert… Ökosysteme verschwinden vor unseren Augen. Menschliche Aktivitäten sind die Ursache für unseren Abstieg ins Chaos. Aber das bedeutet, dass menschliches Handeln dazu beitragen kann, es zu lösen.“ UN-Generalsekretär Antonio Guterres Leitantrag der Hauptversammlung des Hartmannbundes im November 2022 Gesundheitsversorgung im Zeichen von Planetary Health

Unternehmensführung: Aufnahme der Nachhaltigkeit in die Unternehmensziele; Ben nenung eines Nachhaltigkeitsbeauftragten; Schulung der Mit arbeitenden zu Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie „klimabedingte Erkrankungen“; Etablierung eines Berichtswesens zu CO2-Fußabdruck und Maßnahmen zur Reduktion des CO2 Ausstoßes Energieverbrauch: Messung von Lastspitzen/Basisverbräuchen als Voraussetzung für Optimierung von Verbräuchen; Optimierung bestehender Heizungsanlagen durch Bedarfsanpassung und Modernisierung durch automatische Regelungssysteme; Temperatursenkung in Treppenhäusern, Fluren, Wirtschaftsräumen; bedarfsangepasste Warmwasserversorgung durch wassersparende Steuerungsme chanismen; alternative Raumkühlungsmethoden; Optimierung der Beleuchtung durch Umstellung auf LED; Einsatz von erneuerbaren Energien; Umstellung auf Ökostrom Gebäude und Gelände: Dämmung von Außenwänden einschließlich Dachflächen; Aus tausch der Fenster für Wärmeschutzverglasung; Ausweitung der Grünanlagen inklusive Förderung der Biodiversität Anästhesiegase/Inhaler/chemische Stoffe: Umstellung von inhalativen Narkosen auf intravenöse Narkosen; Umstellung von Desfluran auf Sevofluran und Niedrigflussnar kosen; Reduktion von Inhalationsspray/ Inhaler, wo möglich; Vermeidung der Nutzung von Lachgas; bei der Anschaffung oder Ausmusterung auf Toxizität achten wie bei LCD-Displays, fluores zierenden Lampen oder schwer entzündlichen Matratzen Wasser: Optimierung des Trinkwasserverbrauchs, Perlstrahler nutzen; wassersparende Spülung; Nutzung von Regenwasser für Toiletten spülung

Schutz und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, damit also die Bewohnbarkeit der Erde, sind unbedingte Voraussetzungen für menschliche Gesundheit und Wohlergehen. Wenn die Mensch heit daran scheitern sollte, den Klimawandel abzuschwächen, be rauben wir uns unser aller Lebensgrundlage. Im Genfer Gelöbnis geloben Ärztinnen und Ärzte feierlich, Gesundheit und Wohlerge hen ihrer Patientinnen und Patienten zu ihrem obersten Anliegen zu machen und ihr medizinisches Wissen zu deren Wohl und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zu teilen. Damit ver pflichten sich Ärztinnen und Ärzte nicht nur ihrer Rolle als „Heiler“, sondern auch der Aufgabe der Aufklärung, wenn diese der Gesun derhaltung der ihnen anvertrauten Menschen dient. Angesichts des unbestrittenen Zusammenhanges zwischen der Gesundheit des Menschen und des Zustandes des Planeten, auf dem er lebt, ist eine konstruktive Integration von Planetary-Heath relevanten Aspekten in das ärztliche Ethos unverzichtbar. Damit geht einher, dass sich die Ärzteschaft verstärkt und eigeninitiativ mit dem Klimawandel, seinen Auswirkungen auf die globale Gesundheit und dem Schutz unserer Umwelt auseinandersetzt. Auf dieser Grundlage macht sie sich zum Mittler zwischen Forschung, Politik, Ärzteschaft und Bür gerinnen und Bürgern. Dies kann gelingen, indem den folgenden Handlungsempfeh lungen* gefolgt wird und die Ärzteschaft diese für sich selbst kon kretisiert und beschließt: In ärztlicher Interaktion mit Patientinnen und Patienten • Klima- und umweltveränderungs-(mit)bedingte Erkrankungen vorbeugen, erkennen und therapieren. Eine entsprechende Grundlage wurde schon mit der Anpassung des allgemeinen Teils der Weiterbildung für Abschnitt B geschaffen und muss durch re gelhafte Fortbildungen ausgebaut werden. • Medikamentenpläne anpassen (z.B. Diuretika bei Hitzewellen) • Apps empfehlen zu Pollenflug, Luftqualität, Hitze • Beratung zu klima- und umweltfreundlichem und gleichzeitig ge sundem Lebensstil (Maßnahmen mit Co-Benefits, z.B. aktive Mo bilität, eine pflanzenbasierte Ernährung u.a.) Organisation ärztlicher Praxen/ Krankenhäuser • Interne und externe Kommunikation und Aufklärung zu Klima- und anderen Umweltkrisen und ihren gesundheitlichen Auswir kungen (z.B. Fortbildungen, öffentliche Vorträge, Informations material). Entsprechende Angebote sollen von den Ärztekammern bis 2025 geschaffen und mindestens zweimal jährlich zur Verfü gung gestellt werden.

• Potential für die Reduktion umweltschädlicher Aktivitäten eru ieren und entsprechende Maßnahmen umsetzen (z.B. energeti sche Sanierung, Einsatz von klimafreundlichen Anästhesiegasen, gesunde und nachhaltige Patienten- und Personalverpflegung, Müllvermeidungsmaßnahmen, energiesparende Einsatzfahr zeuge, Verlängerung der Nutzungsdauer von Großgeräten durch Aufrechterhaltung des technischen Supports). Die Gesundheits einrichtungen sollen ihre Optionen von nun an durch einen selbst zu bestimmenden Verantwortlichen mindestens einmal im Jahr überprüfen und dies auf Nachfrage auch den Patientinnen und Pa tienten nachweisen können. • Entwicklung von Standards und anschließendes Monitoring der Emissionen des Gesundheitssektors um auch konkrete Einsparpo tentiale umsetzen und gezielt fördern zu können. Standespolitisch • Gesundheitliche Auswirkungen der Klima- und Umweltkrisen ver stärkt auf die Forschungs- und Lehragenda bringen. Dafür sollte die Bundesärztekammer Anreize durch einen Forschungspreis für besonders verdiente Projekte schaffen, der jährlich verliehen wer den soll. • Gesundheitliche Auswirkungen der Klima- und Umweltkrisen auf Kongressen und anderen Veranstaltungen thematisieren und hier für ab 2023 einen Dauer-TOP beim DÄT einrichten. • In Bundes- und Landesärztekammern Untereinheiten zu der The matik gründen oder, wo bereits vorhanden, beauftragen • Gesundheitliche Auswirkungen der Klima- und Umweltkrisen an Vertreter anderer Sektoren kommunizieren und in interdiszipli nären Projekten repräsentieren (Städteplanung und -bau, Ernäh rung und Nahrungsmittelproduktion, Bildung, Verkehr, Handel). Um dies zuverlässig sicherstellen zu können, sollten Projekte der medizinischen Versorgung, in die öffentliche Gelder einfließen, immer einer Überprüfung ihrer Klimaschädlichkeit bedürfen. Dies sollte noch in der 20. Legislaturperiode beschlossen werden. • Verfassen von Politikempfehlungen und Positionspapieren hin sichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen der Klima- und Um weltkrisen • Einsatz für den Abzug von Kapital aus klima- und umweltschäd lichen Anlagen (divestment) der ärztlichen Versorgungswerke bis 2025 • Berlin, 12. November 2022 *Quelle: Wabnitz K., Wild V.: Ärztliches Ethos im Anthropozän – Einführende Überlegungen (im Druck). In: Nikendei C., Bugaj T.J., Cranz A., Herrmann A., Tabatabai J. (Hrsg.): Heidelberger Stan dards der Klimamedizin, S. 269 – 303. Medizinische Fakultät Heidelberg, Heidelberg, 1. Auflage.

Grafik: Fagreia/shutterstock.com

Abfall: Vermeidung von Verpackungsmüll; Reduktion der Verwendung von Einmalprodukten; Umstellung auf biologisch abbaubare Ein malartikel wie zum Beispiel Einmalhandschuhe; Umstellung auf Recyclingpapier Transport: Umstellung der Flotte auf E-Mobilität; Förderung der Radinfra struktur, zum Beispiel durch sichere, überdachte Fahrradpark plätze; Vermeidung unnötiger Reisen durch Videokonferenzen oder Videosprechstunden; Förderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Anbieten von Jobtickets Einkauf: Reduktion unnötiger Verbrauchsartikel; CO2-Fußabadruck von Produkten bei Kaufentscheidungen berücksichtigen; Lieferketten gemeinsammit Herstellern optimieren; bei Lebensmitteln mehr lokale und saisonale Produkte für Patienten, Mitarbeitende und Besucher; vermehrt vegetarische Küche anbieten Ernährung: fleischfreies Catering bei Veranstaltungen; bei der Patientenver sorgung Reduktion von CO2-intensiven Lebensmitteln; Vermeiden von Entsorgung von Lebensmitteln in den Müll Büro/ EDV: Nachhaltigkeit im Internet bei Auswahl von Suchmaschinen und E Mail-Diensten; Bei der Zusammenarbeit mit Firmen, Institutionen, Banken deren Nachhaltigkeit überprüfen

Weitere Informationen sind im Rahmenwerk Klimagerechte Gesundheitseinrichtungen von KLUG zu finden: https://gesundheit-braucht-klimaschutz.de/

Bayern will bis 2040 erstes klimaneutrales Bundesland werden und hat deshalb die Initiative „Green Hospital Plus Bayern – das nachhaltige Krankenhaus“ gegründet. Darüber soll die Motivation gesteigert werden, in Krankenhäusern langfristig Nachhaltigkeit zu etablieren. Neben einem Maßnahmenkatalog und einer Best-Practice-Datenbank ist auch ein Quick Check auf der Website zu finden. Über diesen kann schnell ermittelt werden, wo die eigene Einrichtung beim Thema Nachhaltigkeit einzuordnen ist: https://www.stmgp.bayern.de/meine-themen/fuer-krankenhausbetreiber/green-­ hospital/quick-check/

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