HB Magazin 4 2022
POLITIK
POLITIK
Prävention von Behandlungsfehlern „Patientensicherheit lässt sich nur gemeinsam gewährleisten“
Medizin auftreten, sollen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitswesens berichtet werden können. Dies könnten Fehler, „Beinahe-Schäden“ (Ein Fehler ohne Schaden, der zu einem Scha den hätte führen können.), „Kritische Ereignisse“ (Ein Ereignis, das zu einem unerwünschten Ereignis führen könnte oder dessen Wahr scheinlichkeit deutlich erhöht.) oder auch „Unerwünschte Ereignis se“ (Ein schädliches Vorkommnis, das eher auf der Behandlung denn auf der Erkrankung beruht. Es kann vermeidbar oder unvermeidbar sein.) sein. Die Berichte dürfen keine Daten enthalten, die Rück schlüsse auf die beteiligten Personen oder Institutionen erlauben (Namen, Ortsangaben oder ähnliches). Verbesserungspotentiale werden ausgelotet Das konkrete Ziel des Peer-Review-Verfahren ist laut BÄK, syste matische Verbesserungspotenziale bei der Qualität der Patientenver sorgung und der Sicherheit der Patienten zu identifizieren. Es gehe bei dem Verfahren darum, „dass ärztliche Kollegen andere Kollegen bitten, Ihnen bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen“. Anschlie ßend würden die Beobachtungen „auf Augenhöhe“ besprochen – „ganz ohne Sanktionierung oder den von vielen befürchteten erho benen Zeigefinger“. Die BÄK bemängelt, dass der Gesetz- und Normengeber immer neue Anforderungen geben würde, die mit dem ärztlichen Quali tätsverständnis zunehmend weniger zu tun hätten. „Dokumentati on und externe Kontrolle überwiegen, konkrete Verbesserungen für Patienten zeigen sich kaum.“ Das Peer-Review-Verfahren soll eine Alternative bilden. Der Fokus liege dabei klar auf der Verbesserung der Abläufe. „Es wird genau dort angesetzt, wo eine Verbesserung
umgesetzt werden kann und muss.“ Hierbei würden gemeinsam Qualitätsmanagement-Maßnahmen entwickelt, die in der besuchten Einrichtung umgesetzt werden könnten. „Sie stehen in direktem Be zug zur täglichen Praxis und können somit konkrete Anwendung im Alltag finden. Damit wird auch wieder der Blick auf den tatsächlichen Nutzen für den Patienten geschärft.“ Komplexere Behandlungsprozesse „Patientensicherheit geht uns alle an. Sie lässt sich nur gemein sam gewährleisten“, erklärte Reinhardt anlässlich des Welttags der Patientensicherheit am 17. September 2021. Der BÄK-Präsident mahnte zugleich: „Die bestmögliche Patientensicherheit ist nicht zu erreichen ohne eine bedarfsgerechte Personalausstattung, eine gezielte Nachwuchsförderung und ausreichend Zeit für Patienten- und Angehörigengespräche. Wenn stattdessen ökonomische Ge sichtspunkte die Oberhand gewinnen, läuft definitiv etwas falsch.“ Das gelte insbesondere in einem Versorgungsalltag, der zunehmend geprägt sei durch fachliche Spezialisierung, Arbeitsteilung und Digi talisierung. „Durch den rasanten medizinischen Fortschritt können Patientinnen und Patienten immer besser behandelt werden. Aber auch die Komplexität der Behandlungsprozesse und damit der Auf wand für die Fehlerprävention nimmt zu“, sagte Reinhardt. Es sei da her gut, dass sich das Thema Patientensicherheit wie ein roter Faden durch alle Stufen der ärztlichen Qualifikation ziehe – vom Medizin studium über die Facharztweiterbildung bis hin zur kontinuierlichen Fortbildung. „Für Ärztinnen und Ärzte sind Qualität und Sicherheit seit jeher die beiden untrennbaren Seiten einer Medaille“, so Rein hardt.
Im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung auftretende Komplikationen belasten Patientinnen und Patienten, An gehörige sowie Ärztinnen und Ärzte. „Lernen aus Fehlern, Fehlerprävention und die Stärkung der Sicherheitskultur“ steht aus Sicht der Bundesärztekammer (BÄK) im Zentrum aller Aktivitäten zur Steigerung der Patientensicherheit, wie sie bereits in einer Stel lungnahme im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages im Jahr 2020 betont.
vierten Verdachtsfall wurde ein Fehler bestätigt und ein Schaden fest gestellt, in jedem fünften war der Fehler Ursache des erlittenen Scha dens. Zwei Drittel aller erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe der aktuellen Jahresstatistik bezogen sich auf Leistungen in der stationä ren Versorgung, zumeist in Krankenhäusern (8.690 Fälle). Ein Drittel bezog sich auf Arztpraxen (4.339 Fälle). Hintergrund dieser Verteilung sei, dass sich die meisten Vorwürfe auf operative Eingriffe beziehen würden, und diese erfolgten zumeist in der stationären Versorgung. Die Techniker Krankenkasse (TK) berichtete imMärz 2022, dass im Jahr 2021 bei ihren Versicherten ein leichter Rückgang bei Beschwer den über Behandlungsfehlern zu verzeichnen sei. Insgesamt ver muteten 5.981 Versicherte eine ärztliche Fehlbehandlung bei sich. Verglichen mit dem Jahr 2019 liege der Rückgang bei knapp fünf Prozent. Jeder dritte Verdacht habe sich im Verlauf der Überprüfung bestätigt. Die TK geht zudem von einer hohen Dunkelziffer ärztlicher Behandlungsfehler aus. Etablierung von Fehlerberichtssystemen Um unter den Vorzeichen der immer komplexer werdenden medizinischen Versorgungsprozesse die Sicherheit von Patienten bestmöglich gewährleisten zu können, seien laut Bundesärztekam mer „zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, die der Sicher heitskultur und Fehlerprävention dienen“. Die Etablierung von Fehlerberichtssystemen wie z. B. CIRSmedical.de, die
So zeige die jährliche Berichterstattung der Gutachterkommissi onen und Schlichtungsstellen, die auf bundesweiten Auswertungen beruhten, in welchen Bereichen es vermehrt zu Behandlungsfehlern komme. Hieraus würden ebenso wie aus den Behandlungsfehler statistiken des Medizinischen Dienstes wichtige Erkenntnisse für die notwendige Fehlerprävention und Fortbildungsbedarf in der Ärzte schaft gezogen. BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt, der zugleich Vor sitzender des Hartmannbundes ist, machte außerdem darauf auf merksam: Voraussetzung für eine bestmögliche Patientensicherheit sei eine bedarfsgerechte Personalausstattung. Nahezu jede Landesärztekammer in Deutschland unterhält eine Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen. Die Patienten und Pa tientinnen haben die Möglichkeit bei vermuteten Behandlungs fehlern die jeweils zuständige Gutachter- oder Schlichtungsstelle anzurufen. Seit 2006 werden die Daten mit Hilfe des Medical Error Reporting Systems (MERS) EDV-gestützt einheitlich erfasst und in einer Bundesstatistik zusammengeführt. Laut der aktuellen Statistik vom Oktober 2021 wurden im Jahr 2020 9.483 Begutachtungsanträ ge in den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern gestellt, 2019 waren es noch 10.705 – ein Rückgang von 11,4 %. 7.055 Sachentscheidungen wurden zudem im Jahr 2020 gefällt. Die häufigsten Vorwürfe liegen dabei im Bereich der operati ven Eingriffe (3.353). In 2.146 Fällen wurden Behandlungsfehler bestätigt. In 1.741 dieser Verfahren wurden die fest
Anzeige
gestellten Behandlungsfehler oder Risikoauf klärungsmängel als ursächlich für einen Gesundheitsschaden anerkannt. Laut der Gutachterkommission führten
Durchführung von Peer Review-Verfahren, Mor biditäts- und Mortalitätskonferenzen, ent sprechende Fortbildungsveranstaltun gen der Ärztekammern etc. zielten
EXPLODIERENDE KOSTEN?
Die meisten Vorwürfe beziehen sich auf operative Eingriffe in den Kliniken
im Jahr 2020 deutschlandweit 104 Behandlungsfehler zum Tod des Patienten/der Patientin. Viele Verdachtsfälle in Kliniken Der aktuellen Jahres statistik 2021 zur Behand lungsfehlerbegutachtung des Medizinischen Dienst Bundes zufolge, wurden im Jahr 2021 13.050 Gutach tenanträge zu insgesamt 1.006 unterschiedlichen Di agnosen beim Medizinischen Dienst Bund erstellt. In jedem
darauf ab, kritische Ereignisse zu analysieren, aus ihnen zu lernen und Maßnahmen zur Verbesse rung umzusetzen. Mit CIRSmedical.de be treibt die Ärzteschaft unter Federführung der Bundes ärztekammer ein bundes weites anonymes Fehler berichts- und Lernsystem, mit dem sicherheitsrele vante Ereignisse systema tisch erfasst und analysiert werden, um daraus zu ler nen. Alle sicherheitsrele vanten Ereignisse, die in der
WIR LADEN SIE EIN, sich in 30 Minuten zu überzeugen, wie wir die Erlöse Ihrer Privatabrechnung sichern durch: » Honorar-Sofortauszahlung » Korrespondenz mit Patienten, Versicherungen und Beihilfestellen » konsequentes Mahnverfahren » Ratenzahlungs-Angebote für Ihre Patienten
Anmeldung über den QR-Code oder
ihre-pvs.de/pvs30 Tel. 0800 1025300
Grafik: Gumpanat/shutterstock.com
36
37
Made with FlippingBook Ebook Creator