HB-Magazin Spezial: Famulatur in der Südsee

FAMULATUR IN DER SÜDSEE

Cook Islands (Aitutaki) – das Aitutaki Hospital

Vanuatu (Espiritu Santo) – Wartebereich der Notaufnahme des Northern Provincial Hospitals

Mädchen, dessen Zustand sich wieder etwas sta- bilisiert hatte, in ein Einzelzimmer verlegt. Sie lag somit direkt neben der 17-Jährigen vom Vortag. Der Kult wurde dort weitergeführt und war den restlichen Tag über im gan- zen Krankenhaus zu hören. Insgesamt zog er sich über zwei volle Tage und als am dritten Tag ungewohnte Stil- le herrschte, war ich sicher, dass sie nun doch verstorben sei. Es hatte sich jedoch, ganz im Gegenteil, ihr Zustand gebessert und die Männer waren in das Dorf zurückgekehrt. In den Zimmern der beiden Mädchen waren von da an ununterbrochen eini- ge Familienmitglieder anwesend, da es üblich ist, dass die Pflege der stationären Patienten von den Angehörigen übernom- men wird. Ich habe fast jeden Tag einmal bei den Patientinnen vorbeigeschaut, die zu der Zeit beide noch im Koma lagen, da sich die Familien stets über einen Besuch zu freuen schienen. Nach etwa zwei Wochen begann zunächst die eine und nach etwa drei Wochen die andere aufzuwachen. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Deutschland, habe mich aber sehr über ein paar Bilder gefreut, die ich von ihnen erhalten habe. Entgegen allen Vorhersagen ha- ben sich beide wieder weitestgehend von ihren Unfällen erholen können.

Apotheke Kisten mit Lieferungen von Hilfsorganisationen bis unter die De- cke gestapelt waren. Einige stan- den dort schon seit Jahren, ohne

jemals geöffnet worden zu sein und wir fanden viele der Sa- chen, die am Vortag gefehlt hatten. Kurz nachdem wir wie-

der zurück waren, kam eine Gruppe Jugendlicher herein, die zusammen ein junges Mädchen trugen. Die Situati- on war beinahe identisch zu der am Vortag. Es stellte sich heraus, dass die 18-Jährige ebenfalls bei einer Bodenwelle von der Ladefläche eines Trucks auf den Kopf gefallen war. Auch sie war stark eingetrübt, hatte ungleiche Pupillen, begann zu krampfen und übergab sich. Glücklicherweise war auch an diesem Tag der Paramedic anwesend und insgesamt arbeitete das Team um einiges koordinierter und gezielter, als am Vortag. Auch hatten wir

Cook Islands (Aitutaki) – die Lagune

jetzt viele der benötigten Materialien griffbereit. Es gelang jedoch zunächst nicht, das Mädchen zu stabilisieren und ihre Vitalparame- ter verschlechterten sich zunehmend. Wie am Vortag trafen die El- tern und Verwandten ein und standen schweigend um uns herum. Totenkult am Krankenbett Schließlich kamen zwei Ärzte und erklärten, es bestehe keine weitere Möglichkeit einer Therapie, da der Chirurg aus Port Vila bei seiner Abreise einige Stunden zuvor auch den Bohrer wieder mitgenommen habe. Die Erste-Hilfe-Maßnahmen wurden darauf- hin weitestgehend eingestellt und die Familie allein gelassen. Nach einiger Zeit war lautes Geschrei zu hören: Die Männer aus dem Heimatdorf des Mädchens waren in die Notaufnahme ge- kommen und führten am Bett einen Totenkult durch, wie mir von den Schwestern erklärt wurde. Geleitet wurde dieser von einer Art Priester, der sowohl mit Kreuzen, als auch mit anderen kulturellen Symbolen behangen war. Auch die Gesänge waren eine Mischung aus traditionellen Liedern und christlichen Gebeten. Da die Stimmen die kleine Notaufnahme zum Vibrieren brach- ten und es nicht möglich war, weiter zu arbeiten, wurde das

Über Charlotte Saretzki

Ich bin 25 Jahre alt und studiere Humanme- dizin im 9. Semester an der RWTH Aachen. Seit 2015 gehöre ich der Forschungsgruppe „ADEMED“ (Aachen Dental and Medical Expe- ditions) an.

Momentan arbeite ich anmeiner Doktorarbeit zur Prävalenz (potentiell hämorrhagischer) Virusinfektio- nen in der Region der Cook Inseln und Vanuatus (vor allem Zikavirus, Denguevirus und Chikungunyavirus). Mehr Informationen über das Land, Klima uvm. erfahren Sie unter www.hartmannbund.de.

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