HB Magazin 2 2022
POLITIK
126. Deutscher Ärztetag in Bremen Das Ringen um Prävention, Digitalisierung und GOÄ
EinklaresZeichender Solidarität, dieauch inderRededesBÄK-Präsi denten besonderen Ausdruck fand. Ansonsten gab es unmissverständli cheBotschaftenandiePolitik, vor alleminRichtungvonBundesgesund heitsminister Prof. Karl Lauterbach, der sich von der ersten Reihe aus davonüberzeugen konnte, dass die deutsche Ärzteschaftklar formulier te Erwartungshaltungen mit Blick auf die zentralen Herausforderungen der deutschenGesundheitspolitik hat. Dazu gehörten – analog zum Krankenhauszukunftsgesetz – die For derung nach einem „Praxiszukunftsgesetz“ zur Finanzierung digitaler Vernetzungsprojekte, der Appell zur Eindämmung von Private Equity als wichtige Maßnahme gegen die fortschreitende Kommerzialisierung in der Medizin oder etwa die Mahnung, der Präventionmehr Gewicht in der Gesundheitspolitik einzuräumen. Ein Gastgeschenk gab es für den Minister auch. Reinhardt übergab ihmdie gebundene „Erstausgabe“ der novellierten GOÄ. Auf dieser Basis, davon zeigte sich der BÄK-Präsident überzeugt, sollte einer zeitnahen politischen Umsetzung nichts mehr imWege stehen. Der Minister kündigte eine „unvoreingenommene Prü fung“ an. Im Mittelpunkt der vier Bremer Tage standen die aktuell zentralen Mammutaufgaben der Gesundheitspolitik, die die Entsandten der Kam mern aus ganz Deutschland derzeit beschäftigen. Dazu gehörten u. a. als Schwerpunktthema die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder undJugendliche. Die JüngstenhätteneinenhohenPreis bezahlt. Vereinsamung, Bildungsdefizite, häusliche Gewalt: Das seien nur einige der Folgen, unter denen sie litten. Jetzt gelte es, umfangreiche Unter stützungs- undHilfspakete zu schnürenundKinder und Jugendliche bei allen künftigen Corona-Maßnahmen in denMittelpunkt zu stellen. AlsLehreausderCorona-PandemiewurdeauchdieEinführungeines bundesweitenzentralen Impfregisters gefordert.Mit demRegister sollen sowohl valide Daten über die Impfquote ermittelt als auch Erkenntnisse über die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen gewonnen wer den. In einem weiteren Beschluss sprach sich der Ärztetag klar gegen Impfungen in Apotheken aus. Es war der emotionalste Moment der feierlichen Eröffnung des 126.DeutschenÄrztetages:MinutenlangerApplausder250Delegier ten für Andriy Bazylevych, Vorstandsmitglied der UkrainianMedical Association und Präsident der Weltförderation Ukrainischer Ärztli cher Vereinigungen, der vomPräsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, inder Bremer „Glocke“herzlichbegrüßtwurde.
Der Deutsche Ärztetag hat den Verordnungsgeber dann noch mals explizit aufgefordert, die Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) jetzt umzusetzen. Die Bundesärztekammer, der Verband der Pri vaten Krankenversicherung und die Beihilfe hätten hierfür in jahrelan ger intensiver Arbeit einen gemeinsamen Vorschlag entwickelt. Sollte der Verordnungsgeber die GOÄneu nicht bis zum 31.12.2022 in Kraft setzen, fordern die Abgeordneten die Bundesärztekammer auf, die Ärz teschaft über die rechtskonforme Möglichkeit der Anwendung beson derer Honorarvereinbarungen (sog. Abdingung) mit höheren Steige rungsfaktoren als dem2,3-fachen Regelsteigerungssatz zu informieren. Auch ein klares Signal in der Telematik-Frage wurde gesendet. In vielen Beschlüssenwurden das BMGund die gematik aufgefordert, die Serien von Pleiten, Pech und Pannen zu beenden und die kommenden Anwendungen e-Rezept und e-AU erst einzuführen, wenn es aussage kräftige, erfolgreich abgeschlossene Feldtests gäbe. Der BÄK-Vorstand hat zudem ein Kalkulationstool vorgestellt, mit dem der im Kranken haus tatsächlich anfallende Bedarf an ärztlicher Leistung errechnet werden kann. Darin einbezogen seien sämtliche Leistungen, die Kli nikärztinnen und -ärzte in ihremAlltag erbringen. Die Zusatzbezeichnung Homöopathie wird in der (Muster-)Weiter bildungsordnung (MWBO) gestrichen: Das wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Wissenschaftliche Studien, die einen evidenzbasierten Einsatz der Homöopathie belegen, fehlten, hieß es zur Begründung. Heiß diskutiert wurde auch die Frage, wie Fehlzeiten in der Weiterbil dung fair anerkannt werden können. Der Antrag des BÄK-Vorstandes wurde schließlichangenommen. „Grundsätzlich“ könnendemnach län gere Fehlzeiten anerkannt werden. Die Abgeordneten forderten zudem die Klinikleitungen in einemAntrag aus den Reihen des Hartmannbund auf, dieQualitätdesPraktischenJahres (PJ) zupriorisieren. IndiesemZu sammenhangdürftenMedizinstudierende imPJnichtmit pflegerischen, sondern mit ärztlichen Aufgaben betraut werden. Auch müssten diese eine einheitliche angemessene Aufwandsentschädigung erhalten. Hinsichtlich des steigenden Kommerzialisierungsdrucks wurde ein Maßnahmenkatalog für die ambulante und stationäre Versorgung be schlossen. Darin fordert die Ärzteschaft unter anderem, die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Krankenhäuser an einen fachlichen, räumlichen und regionalen Bezug zu deren Versor gungsauftrag zu koppeln. An die Klinikleitungen wurde die Forderung adressiert, den ökonomischen Druck auf die Ärzteschaft sowie bürokra tische Aufgaben zu reduzieren. Der 127. Ärztetag in Essen im kommenden Jahr heißt übrigens weiterhin „Deutscher Ärztetag“. Ein emotional diskutierter Antrag, eine gendergerechte Sprache in der Namensgebung umzusetzen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Auf gendersensible Formulierungen u. a. in Anträgen muss in Zukunft hingegen geachtet werden. Wei tere Beschlüsse, Bilder und Videos vom Ärztetag finden Sie unter: www.hartmannbund.de/daet_2022
Gehör und Aufmerksamkeit verschafften sich die Studierenden gemeinsammit den Assistenzärztinnen und ärzten des Verbandes. Vor dem Plenarsaal machten sie aus ihrer jeweiligen Perspektive mit einer symbolischen Aktion auf Missstände im Klinikalltag aufmerksam. Bei den Delegierten stießen sie mit ihrer Aktion auf offene Ohren, auch BÄKPräsident und HartmannbundVorsitzender Dr. Klaus Reinhardt war begeistert.
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