HB Magazin 2 2022

POLITIK

Erste Positionierungen der Beteiligten Ambulantisierung im Konsens?

Im Mai 2022 wurden die Mitglieder der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ benannt. Die Expertenkommission soll Empfehlungen und Leitplanken für eine Krankenhausreform vorlegen. Ein gewichtiger Auftrag der Reform-Agenda lautet, die Möglichkeiten einer „Ambulantisierung“ der medizinischen Versorgung umfänglich auszuloten.

AOP-Katalogs empfohlenen Operationen und Prozeduren wurden im Jahr 2019 insgesamt rund 15 Mio. Mal zur vollstationären Be handlung von Patienten durchgeführt. Das sind mehr als ein Viertel aller etwa 58 Mio. vollstationär erfolgten Leistungen. Am häufigs ten waren diagnostische Maßnahmen, die gut sieben Millionen Mal stationär vorkamen, überwiegend die Endoskopie, meist von Ma gen und Darm. Je nach patientenindividueller Situation, also dem Behandlungskontext, könnten diese Leistungen zukünftig teilweise ambulant durchgeführt werden. Die Gutachter empfehlen ergänzend ein Prüfverfahren, im Gut achten Kontextprüfung genannt, zu implementieren, mit demKlini ken fallindividuell begründen können, warum sie Patienten, wenn nötig, doch stationär behandeln. Gründe dafür könnten erhöhte Krankheitsschwere, altersbedingte Risiken, soziale Begleitumstän de oder erhöhte Betreuungsbedarfe der Patienten sein, also der jeweilige Behandlungskontext. Eine ambulante Durchführung ent fällt auch, wenn eine AOP-Leistung nur eine ausschließlich statio när mögliche Behandlung begleitet. Neuer Bereich ideal für Hybrid-DRGs Die Nutzung ambulanter Potenziale werde aus Sicht der DKG wesentliche Voraussetzung sein, um dauerhaft eine wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Versorgung in Deutschland gewähr leisten zu können, sagte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, anlässlich der Veröffentlichung des IGES-Gutachtens. „Wir begrüßen das Ergebnis des Gutachtens zur Anpassung und Erweiterung des AOP-Katalogs und unterstützen den Ansatz, dass deutlich über eine reine Anpassung des Katalogs hinausgegangen wurde. Wir sind überzeugt, dass die Nutzung der ambulanten Po tenziale der Krankenhäuser in Zukunft ein echter Mehrwert für die Patientenversorgung sein wird.“ Ein solcher klinisch-ambulanter Leistungsbereich an den Krankenhäusern könne ideal mit den im Koalitionsvertrag angesprochenen Hybrid-DRGs vergütet werden. „Damit werden starke Anreize für eine Ambulantisierung bisher vollstationärer Leistungen gesetzt und allein medizinische Aspekte bei der patientenindividuellen Wahl des Behandlungsortes in den Mittelpunkt gestellt“, so Gaß. Auf dem DRG-Forum Mitte März zeigte sich Gaß „zutiefst“ da von überzeugt, „dass wir in den kommenden Jahren noch stärker vor allem natürlich in den Flächenländern, in den Regionen auf die Situation zulaufen, dass die medizintechnische Infrastruktur und die breite Interdisziplinarität, die man braucht um gute Pati entenbehandlungen zu machen, dass die in erster Linie an Kran kenhausstandorten konzentriert und vorgehalten werden kann.“ Das heiße aber nicht, dass dort nur Krankenhaus-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter tätig sein müssten. Gaß könne sich sehr gut vor stellen, dass diese medizintechnische Infrastruktur daneben noch

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition sieht in diesem Zu sammenhang vor, „zügig für geeignete Leistungen eine sektoren gleiche Vergütung durch sogenannte Hybrid-DRG“ umzusetzen, um die Ambulantisierung von unnötig stationär erbrachten Leistungen zu fördern. Laut einem Gutachten des IGES Instituts können viele der medizinischen Leistungen, die derzeit stationär erbracht wer den, auch ambulant angeboten werden. Ärzteschaft, Krankenhäu ser und Krankenversicherungen haben sich zur „Ambulantisierung“ positioniert. Empfehlungen als Reformen-Grundlage Die im Koalitionsvertrag vorgesehene „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ ist mit 15 Expertinnen und Experten aus der Versorgung (Pflege und Medizin), der Ökonomie, der Rechtswissenschaften und einem an das BMG angebundenen Koordinator, Professor Dr. Tom Bschor, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und langjähriger Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Ber lin und stellvertretender Vorsitzender der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie, besetzt. Die Empfehlungen der Kom mission sollen Grundlage der Reformen im stationären Bereich ab dem Jahr 2023 werden. Die letzte „wirklich große“ Reform liege 20 Jahre zurück, erklärte Bundesgesundheitsminister Lauterbach Anfang Mai vor der Presse. Die Krankenhausreform sei für ihn ne ben der Digitalisierung ein zentraler Bereich. Die Kommission solle zunächst aber ohne direkte Beteiligung der Krankenkassen oder der Krankenhausgesellschaft selbst arbeiten. Sie sei eine „wissen schaftsorientierte Kommission“. „Die beteiligten Krankenhäuser, Krankenhausgesellschaft, Krankenkassen aber auch die Länder werden natürlich im Rahmen der Arbeit dieser Kommission ange hört“, versicherte der Minister. Die Regierung der letzten Legislaturperiode aus Union und SPD hatte mit dem MDK-Reformgesetz von 2020 die Kassenärztli che Bundesvereinigung (KBV), den GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) dazu verpflichtet, den AOP-Katalog (Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe im Krankenhaus) zu über arbeiten und ein Vergütungssystem auf Basis des Einheitlichen Be wertungsmaßstabs (EBM) zu erarbeiten. Der EBM regelt die Höhe der Honorare in der ambulanten Versorgung der niedergelassenen Ärzte. Das im Auftrag von KBV, GKV-Spitzenverband und DKG erstellte Gutachten des IGES Instituts sieht für 2.476 medizinische Leistun gen (gemäß Operationen- und Prozedurenschlüssel – OPS) grund sätzlich Ambulantisierungspotential und damit die Möglichkeit den AOP-Katalog, auszubauen – „ein Plus um 86 % auf insgesamt 5.355 Leistungen“. Die vom IGES-Institut für eine Erweiterung des

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