HB Magazin 2 2022

POLITIK

„Trotz der großen Potenziale, die mit der Digitalisierung für die Verbesserung der Versorgung sowie die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens verbunden werden, liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit hinter anderen europäischen Ländern zurück“, heißt es im Jahresgutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfahigkeit Deutschlands 2022 der Exper tenkommission Forschung und Innovation (EFI). Die Gründe hierfür seien „vielschichtig“; unter anderem werden „Abwägungen und Sorgen bezüglich des Datenschutzes“ genannt. Opt-in oder Opt-out? Sinnvolle Maßstäbe für ein überfälliges Gesundheitsdatennutzungsgesetz

Insbesondere bei der elektronischen Patientenakte (ePA), dem „Kernelement eines digitalisierten Gesundheitssystems“, wird noch über das Zugriffsmanagement und Zustimmungsverfahren für die Nutzung der Gesundheitsdaten diskutiert. Die Expertenkommis sion spricht sich für eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten insbesondere in der Forschung und Entwicklung aus. Der 126. Deut sche Ärztetag hat die Bundesregierung am 27. Mai aufgefordert, das im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an gekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz zügig zu entwickeln und die Ärzteschaft aktiv in den Prozess einzubeziehen. „Eine digitale Infrastruktur, die alle Akteure des Gesundheits systems miteinander vernetzt und die einen sicheren, organisa tionsübergreifenden Informations- und Datenaustausch ermög licht, ist Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung“, wird im EFI-Gutachten erklärt, das am 9. März 2022 veröffentlicht und an Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger MdB (FDP) übergeben wurde. In Deutschland soll die Telematik-Infrastruktur (TI), die „Datenautobahn des Gesundheitswesens“, diese Aufgaben erfüllen. Sie besteht aus dezentralen Komponenten wie beispiels weise Kartenlesegeräten sowie zentralen Hardware- und Software Komponenten, zu denen u. a. der sichere E-Mail-Dienst Kommu nikation im Medizinwesen (KIM) gehört. Diese Komponenten und Dienste sollen die technische Plattform für die Vernetzung von Ak teuren und für das Angebot von Fachanwendungen – wie z. B. der elektronischen Patientenakte (ePA) – bereitstellen. Die ePA soll die „wichtigsten gesundheitsrelevanten Informationen von Versicher ten in einem digitalen Dokumentationssystem“ erfassen und diese Informationen Leistungserbringern fach-, einrichtungs- und sekto renübergreifend zur Verfügung stellen. Im Spannungsverhältnis zwischen IT-Sicherheit und Datenschutz Die Fachanwendungen, Komponenten und Dienste der TI wer den entsprechend den gesetzlichen Vorgaben – dies umfasst auch die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DS GVO) – spezifiziert. Die Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen bzgl. der Fachanwendungen, Komponenten und Dienste der TI wird durch die gesetzlich geforderte Einbindung des Bundesbeauftrag ten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sowie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bei der Erstellung der technischen Vorgaben durch die gematik sichergestellt. Die gematik GmbH ist für den Aufbau, Betrieb und die Weiterentwicklung der TI verantwortlich. Gesellschafter sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie die Spitzen

Für die Einrichtung der ePA etc. ist derzeit im Patientendaten-Schutzgesetz ein mehrstufiges Zustimmungsverfahren (Opt-in-Verfahren) durch die Versicherten vorgesehen.

verbände des deutschen Gesundheitswesens, darunter die KBV, die Bundesärztekammer, der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Kran kenhausgesellschaft und der Deutsche Apothekerverband. „Bei Gesundheitsdaten handelt es sich häufig um sensible per sonenbezogene Daten“, wird im EFI-Gutachten erläutert. Deshalb bestehe im Gesundheitswesen mehr als in anderen Bereichen ein Spannungsverhältnis zwischen IT-Sicherheit und Datenschutz auf der einen und den Potenzialen der Datennutzung auf der anderen Seite. Gemäß Artikel 9 der Europäischen Datenschutz-Grundver ordnung (DSGVO) ist bei der Erhebung, Weitergabe und Nutzung personenbezogener Gesundheitsdaten besondere Sorgfalt gebo ten. „Hierin wird oft ein nicht unerhebliches Hemmnis für die Digi talisierung im Gesundheitswesen gesehen“, so das EFI-Gutachten.

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