HB Magazin 2 2022

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Deglobalisierung – Die Weltwirtschaft nach der Pandemie Vernetztes System zeigt seine Verletzlichkeit

Die globale Pandemie und der militärische Konflikt in der Ukrainewerden über die nächsten Jahre zu einer verstärkten Neuausrich tung von globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten führen. Die Zinswende und Rezessionsängste führten jüngst zu unerwartet star ken Kursabschlägen an Wertpapiermärkten. Die Risiken werden derzeit deutlich stärker gewichtet als die Chancen. Ein Fehler?

Ukraine. Ein neuer Trend zeichnete sich ab. Un ternehmen und Staaten möchten die Ab gängigkeiten von Dritten in Zukunft redu zieren oder zumindest diversifizieren. Wir kommen in eine neue Phase der «Degloba lisierung». Die Sicherung von Lieferketten und die Produktion im Inland sollen eine grössere Rolle spielen. Die Abgängigkeit vom Energielieferanten «Russland» ist plötzlich keine Option mehr, auch wenn bezahlbare Alternativen nicht in Sichtwei te sind. Deglobalisierung und ein Umbau der Wirtschaft werden zu grossen Verwer fungen und einem nachhaltigen höheren Preisniveau führen. Gewinner und Verlierer zeichnen sich ab. Der Binnenmarkt wird si cher profitieren. Die oben erläuterten Themen belasten die Märkte genauso wie fehlende Arbeits kräfte in den USA und Europa. Die Zentral banken sind gefordert; höheren Zinsen sol len die Wirtschaft und die Nachfrage nach Gütern rasch abkühlen, denn das Angebot reagiert nur mit Verzögerung. Das Risiko ei ner Rezession nimmt zu und wird bewusst in Kauf genommen. An den Börsen reagie ren die Anleger sehr nervös. Besonders betroffen sind Titel aus dem Wachstums segment mit hohen Kurs-Gewinn Bewer

Die Weltwirtschaft profitierte über die letzten drei Jahrzehnte von einer stei genden globalen Arbeitsteilung und der Perfektionierung von fein abgestimmten Lieferketten. Sinkende Armut, stabiles Wirt schaftswachstum und eine sinkende Infla tion waren positive Auswirkungen dieser Globalisierung. Die Zentralbanken konter ten auftauchende Krisen mit immer stär keren Geldschwemmen, auch während der jüngsten Pandemie. Die tiefen Zinsen stärk ten den Konsum und führten zu einem stei genden Wohlstand dank steigender Preise bei nahezu allen Vermögenswerten. Auf der Gewinnerseiten standen Unternehmen und private Haushalte. Auf der anderen Seite erreichte die Verschuldung der öffentlichen Hand immer neue Höchstwerte. Die globale Pandemie hat die Verletz lichkeit unseres vernetzten Systems scho nungslos aufgedeckt. Noch nie wurde die Weltwirtschaft synchron gestoppt und wie der hochgefahren. Noch ist nicht klar, wie viele Jahre es dauert, bis die feingliedrigen Vernetzungen wieder eingespielt sind. Die Preise steigen seit Monaten unter anderem wegen gestörter Lieferketten, Chipmangel, der anhaltenden Null-Covid Toleranz in Chi na und auch als Folge von stark steigenden Energiepreisen wegen des Krieges in der

Jacqueline Krämer, Leiterin Privatkunden, Bank Alpinum AG

tungen, während Substanzwerte eher profi tieren. Viele Qualitätsunternehmen wurden jedoch über Mass abgestraft. Für Anleger an denMärktenwird es wich tig sein, diese globale Trendwende richtig zu erfassen. Diversifikation in Themen wie Energie, Rohstoffe aber auch erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit bietet genau so gute Chancen wie auf qualitativ starke Unternehmen zu setzten, die höhere Preise durchsetzen können.

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