HB Magazin 2 2025

MEDIZINSTUDIERENDE

MEDIZINSTUDIERENDE

Mein Einsatz für Kinderherzen als Pflegende und Medizinstudentin in Burundi Regenzeit, Stromausfall und Rebellen vor der Tür von Kimberley Gärtner

„Die Sicherheitslage in Burundi ist weitgehend stabil. Dennoch kann es vereinzelt immer wieder zu Attacken durch Rebellengruppen […] kommen.“ (Auswärtiges Amt, Stand 27.01.2025)

Das war einer der letzten Sätze, die ich vor meiner Abreise ge lesen habe. Nüchtern. Neutral. Fast beiläufig. Nur ein Hinweis zwi schen Impfempfehlungen und Visabestimmungen. Wenige Wochen später stehe ich barfuß in OP-Clogs auf einem gummiartigen Boden. Das Surren des Notstromgenerators im Ohr, während Regen in dicken Strömen gegen das Blechdach prasselt. Beim Blick über die Schultern des Chirurgen, sehe ich ein kleines Kind mit geöffnetem Brustkorb auf dem OP-Tisch. Heraus ragen mehrere Schläuche, verbunden mit einer High-Tech-Maschine, wie man sie auch in jedem deutschen Herz-OP finden würde. Das Herz schlägt noch wenige Male, bevor es für die Operation zum Stillstand gebracht wird. Und plötzlich zeigt der Monitor eine Nulllinie. Und draußen? Soldaten an Straßenecken, Checkpoints, ange spannte Gesichter. Die Provinzhauptstadt liegt nur wenige Kilome ter von der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo entfernt. Ein Gebiet, das seit Jahrzehnten von Unruhen, bewaffneten Grup pen und humanitären Krisen erschüttert wird. Erst Tage zuvor wa ren wenige Kilometer entfernt Handgranaten explodiert. Der Kon flikt ist nah, geografisch wie emotional.

Ich bin Medizinstudentin im letzten klinischen Abschnitt, aus gebildete Intensivkinderkrankenschwester und Co-Vorsitzende der Medizinstudierenden im Hartmannbund. Das ist mein dritter Aus landseinsatz und mein erster mit Kinderherzen e.V. in Afrika mit ih rem Projekt MOHKI . Was ich hier in Burundi erlebe, sprengt jedes Lehrbuch – fachlich, menschlich, in jeder Hinsicht. Ich bin hier, um zu helfen. Aber auch, weil ich lernen will. Weil ich etwas zurücklassen möchte. Weil es nichts bringt, zu kommen und keine Spuren zu hinterlassen. Die MOHKI ist eine mobile Klinik für herzkranke Kinder in Con tainerbauweise: OP, Intensivstation, IMC, Einleitungsräume, Auf enthaltsbereiche, ausgestattet wie ein reguläres Krankenhaus, nur kompakter. Autark. Hochtechnisiert. Bereit für komplexe Eingriffe. Aber MOHKI ist mehr als Technik. Es ist ein Symbol für moderne Entwicklungshilfe: nachhaltig, partnerschaftlich und auf Augen höhe. Wir kamen nicht, um „nur zu operieren“. Wir kamen, um zu leh ren, zu befähigen und irgendwann überflüssig zu werden. Das Projekt von Kinderherzen e.V. mit der mobilen Herzklinik ist mehr als eine beeindruckende medizinische Leistung. Es ist vor al lem ein Beispiel dafür, wie Entwicklungshilfe heute gedacht werden muss: nachhaltig, ausbildend und partnerschaftlich. MOHKI: High-End-Medizin hinter Containern und Plastikplanen

Die MOHKI bringt nicht nur Geräte mit, sondern Wissen, das Wur zeln schlagen soll. Es wird nicht nur behandelt, sondern erklärt. Nicht nur therapiert, sondern gemeinsam erarbeitet. Das lokale Team wird geschult, begleitet und ermutigt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Die OPs werden zur Fortbildung, der Stationsalltag zur gemeinsamen Lernreise. Und genau das hat mich am meisten beeindruckt und geprägt: Dass medizinische Hilfe dann am sinnvollsten ist, wenn sie nicht nur heilt, sondern befähigt. Wenn man nicht nur Leben rettet, sondern Strukturen aufbaut. Ich selbst habe gelernt, wie viel möglich ist, wenn man bereit ist, sich auf fremde Bedingungen einzulassen und wie wertvoll inter professionelle Zusammenarbeit ist. Wie viel man als junge Medizi nerin mitnehmen kann, wenn man zuhört, anpackt, und manchmal auch einfach improvisiert.

Denn was nützt es, wenn man geht – und nichts bleibt?

Kimberley Gärtner ist Co-Vorsitzende des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund

Foto: Autorin

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